Im Herbst geht Tom Odell mit „A Wonderful Life“ auf große Arena-Tour durch Europa, so auch in München in der Olympiahalle. Eine seltene Gelegenheit, diesen ungewöhnlich nahbaren Künstler im größten Rahmen zu erleben. Und vielleicht, für ein paar Stunden, gemeinsam zu spüren, dass das Leben – trotz allem – schön sein kann.
Von der Öffentlichkeit einst als neuer britischer Pop-Hoffnungsträger gefeiert, hat sich Tom Odell längst von der glatten Oberfläche des Mainstream- Pop entfernt. Mit „A Wonderful Life“, seinem siebten Studioalbum, gelingt ihm nun ein Werk, das mehr ist als nur Musik: eine schonungslose Bestandsaufnahme eines Künstlers, der sich durch das Schreiben befreit – und zugleich eine stille Umarmung für eine Welt im Zustand der Dauerkrise.
Entstanden ist das Album während neun intensiver Monate, in Bussen, Zügen, Flugzeugen – überall dort, wo sich der 34-Jährige zwischen Tourterminen und Momenten des Alleinseins wiederfand. „Ich habe jeden Tag an den Texten gefeilt, immer und immer wieder. Es war wie eine Obsession“, sagt Odell. Diese Besessenheit zeigt sich in der Präzision seiner Songs: mal flüsternd zärtlich, mal schmerzhaft direkt, oft beides zugleich. „A Wonderful Life“ ist durchzogen von einem Gefühl des Kontrollverlusts. Die Weltnachrichten flimmern wie eine apokalyptische Endlosschleife, in der Hoffnung und Ohnmacht sich abwechseln. Odell kanalisiert diese Unruhe in Stücken wie „Don’t Let Me Go“, das mit Zeilen über Social-Media-Dystopie und die emotionale Leere des Digitalzeitalters aufrüttelt: „You smile and look down at your phone / The city is filling with smoke“. In „Why Do I Always Want The Things I Can’t Have“ übernimmt er Verantwortung: nicht als Ankläger, sondern als Teil eines Systems, das er selbst mitgestaltet.
Odells Stimme – brüchig, nah, fast vertraulich – trägt das alles. Unterstützt von einer Produktion, die sich bewusst dem Perfektionismus verweigert: live aufgenommen, mit dem bewussten „Bleed“ der Instrumente, das Nähe schafft statt Distanz. Diese Wärme macht das Album zu einem Gegenentwurf zur Kälte des Weltgeschehens.
Dass Odell heute ein globaler Star ist, mit über 14 Milliarden Streams und 31 Millionen monatlichen Hörer*innen, spielt in seiner Kunst nur am Rande eine Rolle. Es geht ihm um etwas anderes: Verbundenheit, das Teilen von Schmerz – und letztlich, so sagt er, um den Versuch, „die Einsamkeit des Daseins ein wenig zu lindern“.
Opener: Matilda Mann
Support: David Kushner
Fotocredit: Darren Gwynn